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Kapitel 8 - Der Spind Die Zeit vergeht besonders langsam, wenn man darauf warten muss, dass 75 Rekruten fotografiert werden. Wenn man dann im Nachnamen noch mit einem "W" beginnt und deshalb auch noch ganz hinten in der Schlange steht, ist die Sache natürlich noch wesentlich unangenehmer. Natürlich ist Sitzen nicht möglich, es wird gestanden. Ein wenig Härte muss schon sein, auch wenn die Beine angesichts der ungewohnten Belastung durch die sportlichen Aktivitäten des Vormittags ein wenig zittern. Wenn man so sinnlos herumsteht, hat man den Kopf frei, die Gedanken ein wenig schweifen zu lassen. Obwohl ich eher ein optimistischer Mensch bin, sind die Gedanken zurzeit leider eher von schwermütiger Natur. Gern würde ich an etwas anderes denken, aber ich denke nur an Zuhause. Hier in diesem dusteren, schmuddeligen Gang mit grünem Ölsockel und der Wand, die irgendwann einmal jemand liederlich weiß getüncht hat, fällt es gleich noch viel schwerer, optimistisch zu denken. Manche versuchen, ihre Gedanken und Befürchtungen dem Nachbarn leise flüsternd mitzuteilen. Die Unteroffiziere stehen aber sofort wie Wachhunde bereit und beenden jegliche Kommunikation mit scharfem barschem Ton. Auch wenn es keinen Sinn macht - hier wird Gehorsam gelehrt! Nach unendlich langer Wartezeit bin ich endlich an der Reihe. Der Fotograf ist ein kleiner runder Kerl mit dünnem weißem Haarkranz. In den zivilen Sachen, welche er trägt, wirkt er beinahe fremdlich und passt irgendwie nicht hier her. Er ist hektisch und flitzt hinter seinem riesigen Fotoapparat ständig hin und her. Ich muss auf einem Stahlrohrstuhl mit Holzsitzfläche Platz nehmen und bekomme ein Schild mit einer Zahl in die Hand gedrückt. Die Wand hinter mir ist mit einem weißen Bettlaken behängt. Kaum habe ich Platz genommen befiehlt mich das "Fotomännlein" zu einem freundlichen Gesichtsausdruck. Da der Fotograf aber keine Uniform trägt macht sein Befehlston wenig Eindruck auf mich und ich bleibe ernst. Soweit kommt es noch! Am Ende glaubt vielleicht noch jemand, ich hätte hier einen ganzen Haufen Freude! Auf das freundliche Gesicht kann er nun nicht warten und drückt ab. Der Blitz blendet mich und bevor ich richtig zum Nachdenken komme, hat er bereits ein zweites Mal abgedrückt. "Der Nächste!" Es geht wie am Fließband. Kaum wieder auf dem Gang, rüffelt mich ein Unteroffizier an: "Los, ab aufs Zimmer! Zivilsachen anziehen! Genieße es noch einmal, es wird für lange Zeit das letzte Mal sein, dass du Zivil trägst!" Sein zynisches Lachen möchte ich am liebsten mit meiner Faust in seinem Gesicht beenden. Zügig ziehe ich mich aufs Zimmer zurück und hole das Paket aus dem Spind. Nach dem ich mein schwarz gefärbtes Hemd vom Fidschi- Markt übergezogen habe, fühle ich mich fast wieder wie ein Mensch. Kleider machen Leute. Noch nie habe ich das so direkt gespürt wie im Augenblick! In Zivil begebe ich mich zurück auf den Gang, wo bereits alle wieder in der Reihe anstehen. Dem Grau der Ausgangsuniformen ist ein buntes Allerlei gewichen. Dem entsprechend ist auch die Stimmung, und die Unteroffiziere haben alle Mühe die Disziplin wieder herzustellen. Das Warten auf dem Flur zieht sich wieder hin, nur dass man diesmal einfach besser aussieht. Irgendwie bin ich auch froh. Solang wir hier dumm herumstehen, kann man draußen nicht über den Sportplatz gejagt werden. Allerdings haben die wohl auch sonst noch genügend Zeit dazu. Hoffentlich komme ich zu den Fahrern, schließlich habe ich doch den "Ural- Lehrgang" in Gera nicht umsonst gemacht. irgendwie werden sie mich doch da eingeplant haben. Wenn ich also zu den Fahrern käme, dann wäre die Grundausbildung nur vier Wochen lang und das Schlimmste wäre erst einmal überstanden, hoffe ich zumindest. Vielleicht könnte ich anschließend sogar auf Urlaub nach Hause! Das wäre natürlich am Schönsten! Was würde ich alles geben, um nach Hause zu kommen...! Ich schrecke hoch als der Unteroffizier mich anschreit: "Sag mal träumst du? Du bist dran!" Man oh man, wie kann der mich so erschrecken! Wieder gehe ich in das Zimmer und lasse noch ein Zivilfoto von mir erstellen. Dem Wunsch nach ein wenig Freundlichkeit komme ich allerdings erneut nicht entgegen. Lächeln im Staatsdienst? Verboten, selbst in Zivil! Als ich genau so schnell wie ich im Zimmer drin war, wieder draußen im Gang stehe, werde ich schon wieder zusammengestaucht: "Los, umziehen, Dienstuniform! Ausgangsuniform ist für die nächsten Wochen gestorben! ...und Zivil sowieso! Hahaha!" Während er sich seiner genialen Wortwahl wegen selbst feiert, ziehe ich mich schleunigst aufs Zimmer zurück um möglichst schnell in die Dienstuniform zu kommen. Genau wie ich erwartet hatte, habe ich kaum die Füße in den Stiefeln, als draußen auf dem Gang zum Antreten gebrüllt wird. Nach den wenigen Stunden der Erholung durch den Fotograf geht die Hektik wieder los. Das Rennen durchs Treppenhaus ist bereits Routine, gefolgt vom finalen Sprung von der letzten Stufe. Auch das Marschieren beginnt wieder wie von allein. Die Entwicklung vom Mensch zur Maschine hat sozusagen bereits begonnen. Nach ein paar Metern lässt der Zugführer stoppen. Trotz der Fortschritte beim Marschieren ist er unzufrieden. Die Gesamterscheinung des Zuges bereitet ihm sichtlich Kopfzerbrechen. Durch die alphabetische Sortierung der Truppe sind die Körpergrößen völlig durcheinander. Das sieht von außen betrachtet reichlich unordentlich aus und kann selbstverständlich nicht so bleiben! Eine Neuaufstellung nach Körpergröße wird erwartet und soll sofort, per Befehl versteht sich, ausgeführt werden. Ein chaotisches Durcheinanderlaufen beginnt. Keiner ist sich seine wirklichen Körpergröße bewusst und versucht sich nun irgendwie, irgendwo hinzustellen, von wo er dann wieder weggedrängt wird, weil ein anderer wiederum der Meinung ist, schließlich einen halben Zentimeter größer zu sein, was aber von Nebenmann vehement abgestritten wird. Erstaunlicherweise greift aber keiner in das wilde Treiben ein und so dauert es eine ganze Weile, bevor wieder eine einheitliche Reihe gebildet ist. Mit 1,80 Meter Körpergröße bin ich tatsächlich nicht der größte Soldat der Kompanie, komme aber immerhin noch ins vordere Drittel des Zuges. Schade eigentlich, hinten dran war es angenehmer, da man dort weniger unter Beobachtung stand. Allerdings sehe ich nun einen ganz großen Vorteil für mich. Weiter vorn zu stehen, bedeutet auch, mehr Zeit beim Essen zu haben und diese kann ich dringend gebrauchen. Mein Magen macht bereits Geräusche, welche ich zuvor noch nie vernommen habe. Noch ist es aber nicht soweit, schließlich muss die armselige Mahlzeit erst durch straffes Exerzieren verdient werden. Wieder wird marschierenderweise das Gelände erkundet. Mir fällt auf, dass man inzwischen seltener die Maßbänder rollen sieht. Haben sie aufgegeben oder sind sie einfach alle nur unterwegs? Mein Hintermann hat das mit dem Marschieren wohl nach wie vor nicht begriffen und tritt mir kräftig in die Haxen. Fast kommt es mir wie Absicht vor! Als ich mich umdrehe, sehe ich in sein bedauerndes Gesicht. Doch keine Absicht! Eine gesunde Portion Misstrauen scheint hier aber trotzdem nicht fehl am Platz zu sein. Einige "Krähgockel" sind mir bereits aufgefallen. Beim Einmarsch in die Kantine habe ich das Gefühl, es geht ins Paradies. Zwar riecht es irgendwie nur nach ausgekochten Knochen, aber mit meinem riesigen Hunger im Bauch ist das bereits feinster Wohlgeruch! Am Kantinenfenster angekommen, schmeißt mir der Küchenhelfer mit grimmigem Gesicht eine Kelle Suppe oder Eintopf auf den Teller. Auf Grund der Tatsache, dass der Inhalt meines Tellers mit sehr viel Wasser zubereitet wurde, lässt die merkwürdige Brühe eine eindeutige Zuordnung schwer zu. Was es auch ist, es ist warm und duftet gut! Aus der Aluschüssel, welche in der Essensausgabe steht, greife ich mir zwei Scheiben wellig gebogenes Brot. Das wurde aber sofort vom Küchenhelfer bemerkt. "Nur eins!" brüllt er mich an und ich lasse erschrocken eine Scheibe wieder zurückfallen. In Rekordtempo erreiche ich einen Tisch und fange sofort an, den suppenähnlichen Eintopf in mich hineinzuschaufeln. "So schnell habe ich glaube noch nie gegessen!" denke ich während ich gierig vom Brot abbeiße. Beim obligatorisch viel zu früh befohlenem "Auf" habe ich diesmal fast geschafft, den Teller leer zu essen, was allerdings auch keine große Kunst war, schließlich war auch nicht gerade sehr viel Inhalt darauf. An der Geschirrrückgabe sehe ich viele enttäuschte Gesichter, welche ihre Eintopfreste in den Kübel schütten müssen. Ich kann gar nicht hinsehen, schließlich bin ich ja selber noch nicht satt! Im Augenblick weiß ich nicht was in meinem Bauch größer ist, der Hunger oder die Wut über die kurzen Essenszeiten. Die überschüssigen Kalorien, welche während der fünf Minuten Nahrungsaufnahme in den Magen kamen, müssen selbstverständlich bei entsprechender sportlicher Tätigkeit abgebaut werden. So wird nach halbstündigem Marschieren der Sportplatz erneut unsicher gemacht. Die Kraftanstrengung des Vormittags und die fehlende Ernährung machen sich allerdings bemerkbar und so sehen selbst Zugführer und Unteroffiziere, dass es zwecklos ist, den müden Haufen weiter zu scheuchen. Der Marsch geht zurück Richtung Ausbildungskompanie, wo der Oberleutnant Holzmann bereits auf dem Gang auf uns wartet. Selbstverständlich hat er wieder eine Rede für uns vorbereitet. In langen, verschachtelten Sätzen erzählt er von der Ordnung der Soldaten in ihren Spinden und von der Sauberkeit der "Reviere": Reviere, so der Oberleutnant, nennen sich die einzelnen Objekte auf der Kompanie, welche abends nach dem Abendbrot einer gründlichen Reinigung unterzogen werden müssen. Um die Kompanie sauber zu halten werden auch wir heute mit der Revierreinigung beginnen. Es gibt sogar schon eine Einteilungsliste, welche exakt festlegt, wer zu welcher Zeit in welchem Revier eingesetzt wird. Das nenne ich perfekte Organisation. Für die einzelnen Zimmer sind die Bewohner selbst zuständig. Schade eigentlich, bis dahin hatte ich eigentlich noch auf eine Putzfrau gehofft. Zurück auf dem Zimmer bekommen wir Besuch. Für jedes Zimmer wurde ein Unteroffizier organisiert, welcher nun einen Lehrgang in Sachen Ordnung im Spind und im Zimmer hält. Als "unser" Unteroffizier das Zimmer betritt, ist ihm dies fast schon peinlich. Man sieht ihm die Verlegenheit im Gesicht an. "Ich bin Unteroffizier Röder, Ihr könnt aber ruhig Ralf zu mir sagen, nur nicht wenn andere dabei sind!" sagt er und versucht freundlich zu lächeln. Erstaunlich, der Erste hier, der ein wenig freundlich zu uns ist. "Ich soll euch ein wenig Ordnung beibringen, dass eure Spinde immer perfekt aussehen. Ihr werdet noch merken, wie wichtig das ist. Ohne aufgeräumten Spind geht hier keiner auf Urlaub oder in den Ausgang." Bei seinen Worten fehlt mir fast ein wenig der zynisch grinsende Gesichtsausdruck, den seine Kollegen so perfekt beherrschen. "Bei welchem Spind wollen wir denn anfangen?" Er schaut fragend in die Runde. Einer meiner Zimmerkameraden öffnet bereitwillig seinen Spind. "Oh oh, so geht das schon mal gar nicht!" Er nimmt einen Stapel Kleidungsstücke aus dem Spind und legt sie auf den Tisch. Demonstrativ beginnt er mit dem Zusammenlegen und bringt mit sicherer Hand jedes Kleidungsstück auf Idealmaß. Danach nimmt er den kompletten Packen und legt ihn im Spind exakt auf Kante. Die textile Wand bildet nun mit den Einlegeböden eine exakte Kante. Wie mit dem Lineal gezogen, sieht nach ein paar Minuten der gesamte Spind aus. Jacken und Mäntel werden exakt auf die Bügel gehängt, Stiefel und Mütze perfekt platziert. Selbst das Sturmgepäck nebst Stahlhelm wird auf dem Spind exakt ausgerichtet. Als er den Spind als fertig präsentiert wird mir angst. "So, und nur so wird die Ordnung akzeptiert! Eventuell könnte man das Ganze noch etwas perfektionieren." Er lächelt freundlich und schaut in vier fragende Gesichter. Man sieht es uns sicher an, dass keiner von uns auch nur im Ansatz in der Lage sein wird, solch einen ordentlichen Spind zu fabrizieren. Ich denke an mein Zimmer zuhause. Zusammengelegt waren da nur die Kleidungsstücke, welche mir meine Mutter frisch gebügelt mit nach oben gab. Sonst gab es Augenblicke, in denen plötzlich Besuch bei mir vorbeischaute und ich blitzschnell alle Klamotten im Schrank verschwinden lassen musste um wenigstens eine Scheinordnung zu demonstrieren. Am Praktischsten erwies es sich damals, die Sachen einfach über den Stuhl zu hängen, so konnte man glatt das nervige Schranktüröffnen sparen. Halbwegs Ordnung hatte ich eigentlich nur, wenn Isabelle mich besuchte. In die Schränke hätte sie aber besser auch nicht schauen dürfen...! Nun sollte ich plötzlich solch eine pedantische Ordnung zaubern? Unmöglich! "So, nun müssen wir auch die Betten noch entsprechend in Ordnung bringen." sagt Unteroffizier Ralf und sucht sich wahllos eines der unteren Betten aus. Mit einigen schnellen Griffen hat er das Bettlaken von der Matratze gezogen und holt aus der karierten Bettwäsche das Kopfkissen und eine gefaltete Graudecke hervor. Fast genau so schnell wie beim Abziehen legt er nun das Bettlaken wieder über die Matratze und zeigt dann langsam zum Mitdenken, wie das Laken unter der Matratze gefaltet wird. Er macht dies so perfekt, dass es uns beim Zuschauen ganz schwummrig wird. Er faltet die Graudecke und lässt sie souverän im Bettzeug verschwinden, faltet die Zudecke in der Mitte und legt sie mit wenigen exakten Handgriffen aufs Bett. Mit dem Kopfkissen geht es ähnlich, nur dass es nicht gefaltet wird. Zum Schluss zeigt er noch wie die Graudecke so zusammengelegt wird , dass der Schriftzug "NVA" oben gut zu sehen ist. Die Graudecke legt er ans Fußende. Mit ein paar wenigen Handbewegungen glättet er noch einmal Kopfkissen und Zudecke und sieht nur noch wie wir staunend und sprachlos daneben stehen und nicht glauben können, dass es möglich ist, ein Bett so perfekt zu machen. "Wenn ihr in der Qualität eure Betten gemacht habt, dürfte es normalerweise keine Probleme geben." sagt er. "Ihr versucht nun eure Spinde auf das gleiche Niveau zu bekommen, ich schaue dann später noch einmal vorbei!" Der Kamerad, dessen Spind so hervorragend eingeräumt war, freute sich. Er ist ja sozusagen schon fertig. Jedoch geht Unteroffizier Ralf statt zur Tür, noch einmal zu dessen Spind und bringt ihn kurzerhand wieder in den Zustand in dem er sich vorher befand. "Wir wollen es ja nicht zu einfach machen! Bis nachher!" sagt er und verlässt das Zimmer. Ein wenig enttäuscht ist er schon, der Kamerad, dessen Spind nun nicht mehr so ordentlich aussieht. Aber es nützt ihm ja nichts, auch er muss es lernen und so beginnen nun alle ihre Spinde zu leeren um sie wieder in einen vernünftigen Zustand zu bringen. Ein wenig ratlos stehe ich schon vor dem Haufen Anziehsachen, welchen ich erst einmal auf mein Bett gelegt habe. Ähnlich wie es Unteroffizier Ralf vorgemacht hat, versuche ich nun meine Sachen zusammenzulegen. Leider sieht es nicht mal annähernd perfekt aus. Ich räume einfach alles in den Schank und versuche durch ein wenig Zupfen und Zerren der Sache Herr zu werden. Auf den ersten Blick sieht es jedenfalls schon mal ganz gut aus. Genauer hinschauen darf man halt eben nicht! Außerdem habe ich damit jetzt schon genug Zeit verplempert, ich bin gespannt wann ich endlich mal dazu komme, einen Brief nach Hause zu schreiben! Meine Zivilsachen packe ich zurück ins Paket. Ein wenig wehmütig werde ich schon dabei. Wer weiß wann ich je wieder Zivil tragen werde...? Das Paket kommt in den hinteren Teil des Spindes. Ob es jetzt auch abgeschickt wird? Nun ist noch das Bett dran. Nach einigem Hin und Her sieht es auch einigermaßen gut aus, mehr kann man doch erst einmal nicht erwarten! Selbst das Bettlaken sieht schon fast glatt aus, obwohl ich die seltsame Falttechnik noch nicht begriffen habe. Als wir scheinbar fertig sind, setzen wir uns zu viert auf die Schemel um den Tisch herum und haben endlich mal ein wenig Zeit zu erzählen. Das einzig interessante Thema scheint im Augenblick das Thema "erster Urlaub" zu sein. Jeder kennt irgendjemanden, der wiederum jemanden kennt, der auch bei der Armee war und mindestens die ersten 15 Wochen nicht zu Hause war. Wenn man sich in solche Gedanken richtig hineinsteigert, bekommt man gleich so richtig einen Kloß in den Hals. 15 Wochen lang meine Eltern und Isabelle nicht mehr sehen? So etwas kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen! Nachdem wir ein paar Minuten sitzen und die Horrorszenarien immer dramatischer ausgefeilt werden, wird plötzlich die Tür aufgerissen und ein Zugführer steht im Zimmer. Wir fahren von den Stühlen hoch. "Sie werden einen Stubenältesten wählen, und immer wenn ein Vorgesetzter ins Zimmer tritt wird der Stubenälteste laut "Achtung!" rufen. Egal wo Sie sich gerade befinden, wird sofort stillgestanden!" Der Zugführer hat einen besonders strengen Ton aufgelegt außerdem trägt er weiße Fingerhandschuhe. Seine Hilfskräfte in Form von Unteroffizieren treten dazu. "Ich werde nun bei Ihnen die Spindkontrolle durchführen!" Er lässt sich die erste Türe öffnen, schaut kurz hinein und schmeißt einfach einen Stapel Wäsche auf den Boden. Genau so verfährt er bei den anderen Spinden. So gut wie kein Kleidungsstück bleibt darin. Als auch meine Sachen zu Boden gehen, kommen plötzlich Mordgedanken über mich, ich könnte platzen vor Wut und kann doch nichts tun. Die Unteroffiziere bekommen die perfekte Show geliefert. "So, Sie haben jetzt sehr viel Zeit Ihre Spinde tatsächlich in Ordnung zu bringen!" Der Zugführer verlässt das Zimmer, er muss noch etliche Spinde leeren. Die Unteroffiziere müssen natürlich auch noch ihren Senf hinzufügen: "Ihr habt gehört was er gesagt hat! Vergesst nicht den Stubenältesten zu wählen!" Dann sind auch sie verschwunden. Zurück bleibt nur ein bunter Haufen Wäsche und vier Rekruten, die deprimiert die Köpfe hängen lassen.
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